Gertrud von le Fort und Oberstdorf
Gertrud von le Fort Das Archiv

"Wenn ich ... der Aufforderung nachkomme, einige Seiten über Oberstdorf zu schreiben, so steigt ein warmes Gefühl der Freude in mir auf, weil ich in dieses schöne Tal verschlagen wurde. Denn ich habe es mir nicht als Wohnsitz ausgesucht, sondern es hat sich, wie fast alle wirklich guten Dinge des Lebens - eben so gefügt." So beginnt Gertrud von le Fort im Jahr 1958 ihren Text "Wahlheimat Oberstdorf".

Ein Blick zurück: Im Mai 1938 war Gertrud von le Fort nach einem 17 Monate dauernden Sanatoriumsaufenthalt in Arosa nach Deutschland zurückgekehrt. Ihre chronische Bronchitis hatte dort Linderung erfahren, und nun galt es, einen ihrer Gesundheit zuträglichen Aufenthaltsort zu finden. Eine Rückkehr auf die Konradshöhe in Baierbrunn erschien aus verschiedenen Gründen nicht günstig, und so verbrachte sie auf ärztlichen Rat hin zunächst im August/September 1938 und dann wiederum im Sommer 1939 einige Zeit in Oberstdorf. Ein weiterer Aufenthalt im Januar 1940 führte zur Entscheidung, dass auch der kommende Winter in Oberstdorf verbracht werden sollte. Doch zum Oktober 1940 erfolgte nicht nur eine Reise ins geplante "Winterquartier" Oberstdorf, sondern ein Umzug dorthin, freilich zunächst noch ohne die Absicht, in Oberstdorf einen dauernden Wohnsitz zu begründen. Die weitere Entscheidung fiel dann aber schnell: Ende November 1940 meldet Gertrud von le Fort rückwirkend zum 10.10.1940 ihren dauernden Wohnsitz in Oberstdorf an. Eine "auf Lebenszeit geplante Bindung" an Oberstdorf bedeutete dies freilich nicht. Es stellte sich für sie nämlich immer wieder die Frage, ob sie nicht aus gesundheitlichen Gründen anderswohin übersiedeln sollte. Überlingen am Bodensee war dabei im Gespräch, auch Scheidegg im Allgäu. Doch - trotz allem - sie blieb in Oberstdorf, bis zu ihrem Tod.

In ihrem Essay "Wahlheimat Oberstdorf" nennt Gertrud von le Fort all das, was ihr an Oberstdorf lieb geworden ist: die Landschaft, die Berge, die Täler, die herrliche Luft, das Brauchtum, der Platz bei den Loretto-Kapellen, die Kühe, die Vögel, das Wiesengelände südlich von Oberstdorf mit "der Stille und Herrlichkeit seines Tales".

Oberstdorf allein darf für sich in Anspruch nehmen, für Gertrud von le Fort (Wahl-)Heimat geworden zu sein. Ihre Kindheit und Jugend waren, bedingt durch den Beruf des Vaters, bestimmt durch ständige Umzüge: Minden, Berlin, Koblenz, Hildesheim, Halberstadt, Ludwigslust. Das Gut Boek war erbrechtlich "Fideikommiss" und somit bestenfalls ideelle Heimat aller "le Forts". Gertrud von le Forts Eltern, obwohl adelig, besaßen selbst nie Grund und Boden. Mit dem Erwerb der Konradshöhe in Baierbrunn hatten die Schwestern Gertrud und Elisabeth von le Fort zwar dann Immobilienbesitz erworben, Heimat und Zuhause war auch die Konradshöhe für Gertrud von le Fort nie. In Oberstdorf lebte die Dichterin 31 Jahre, so lange wie an keinem anderen Ort. In Oberstdorf schließlich wurde sie begraben.

Nicht von ungefähr sind daher Heimat und Heimatlosigkeit u. a. wesentliche Themen im Werk Gertrud von le Forts. Die Marktgemeinde Oberstdorf hat Gertrud von le Fort mit dem Titel "Ehrenbürger" gewürdigt. Eine Ehrung, die sie als solche empfunden hat. Ist diese Ehrung aber nicht auch eine Verpflichtung für Oberstdorf?

 

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